Eure Fragen zum Welt-AIDS-Tag 2022
Wie hoch ist mittlerweile – gemessen am Stand der Medizin- die Chancen der Heilung resp. die Chancen für Behandlung und Eindämmung?
Ich fange mal mit dem Einfachen an: die Chancen für Behandlung sind sehr gut. Die existierenden HIV-Medikamente sorgen dafür, dass eine positive Person ein normales, erfülltes Leben führen kann und HIV nicht weiter geben kann – auch bei Sex ohne Kondom. Die Eindämmung von HIV ist eigentlich sehr einfach, denn Kondome und/oder PrEP schützen sehr gut vor einer Infektion. Der Grund, warum sich immer noch Menschen mit HIV infizieren liegt einerseits in der Zugänglichkeit von PrEP, die nicht weltweit gegeben ist und natürlich auch daran, dass in vielen Teilen der Welt das Kondom Dank katholischen Intervention einfach nicht verwendet wird.
Eine Chance auf Heilung sehe ich momentan nicht, aber wer weiß, auf welche Idee morgen oder übermorgen ein*e Wissenschaftler*in kommt.
Kann oder sollte mensch sich/ich mich einfach irgendwo testen lassen, also anlasslos? Mache ich für Corona ja auch.
Sexuell aktive Menschen sollten sich zwei bis vier Mal im Jahr testen lassen, nicht nur auf HIV sondern wenn möglich auch auf andere sexuell übertragbare Krankheiten. Bitte mach das nicht „irgendwo“ sondern in einer Arztpraxis, beim Gesundheitsamt oder einem der vielen Testangebote der Aidshilfe und anderer Beratungsstellen.
Wie genau ist ein Testergebnis mit einem Schnelltest?
Das kommt auf den Schnelltest an, in der Regel liegt die Genauigkeit bei nahezu 100%. Ein Schnelltest kann jedoch nicht die Sicherheit eines PCR-Tests geben, da eine sehr kleine Chance auf ein false negative Ergebnis besteht.
Darf ich fragen? Wie lebensbeeinflussend ist denn das noch? Eine Pille am Tag und man hat im Prinzip Ruhe? Und was passiert, wenn man sie vergisst?
Genau das – eine Tablette am Tag und ich hab Ruhe vor dem Virus. Das Medikament baut einen Spiegel auf, nach 21 Tagen täglicher Einnahme kann man es auch „mal“ vergessen, ohne dass es irgendwelche negativen Auswirkungen hat. Es ist natürlich nicht zu empfehlen, die Therapie dauernd, und sei es nur für einen Tag, zu unterbrechen. Aber ja, man kann die Tablette mal verpeilen, ohne dass es negative Folgen hat.
Physisch ist das Virus also recht gut unter Kontrolle, das größere Problem ist das Stigma, das mit einer HIV-Infektion einhergeht.
Machen‘s seit PreP wieder mehr Männer ohne Kondom? (Hab ich mich wegen Affenpocken gefragt.)
Ja, seit die PrEP verfügbar ist, haben Männer, die Sex mit Männern haben (zu Männern, die nur Heterosex ausüben kann ich nichts sagen), wieder mehr Sex ohne Kondom. Das ist ja auch völlig klar, eine richtig verwendete PrEP schützt zu 100% vor einer Infektion. PrEP-Nutzende werden zudem (zumindest in Deutschland) alle 3 Monate einmal auf HIV und anderer STD getestet, so dass auch andere Erkrankungen früh erkannt und behandelt werden können. Zusätzlich empfiehlt sich natürlich eine Impfung gegen Hepatitis A+B.
Wie stark sind die Einschränkungen im Alltag durch die Medikation, wenn man die HI-Viren so gut wie möglich unterdrücken möchte?
Ich habe keine Einschränkungen durch die Medikation. Yay.
Wie lebt es sich denn so mit der Krankheit? Merkst du im täglichen Leben was davon?
Puh, ich glaube, ich weiß, worauf Du hinaus willst und wir müssen zwischen der Krankheit AIDS und der Infektion mit HIV unterscheiden. Eine unbehandelte Infektion wird irgendwann zu einer Erkrankung mit AIDS führen. Da ich das nicht habe, kann ich nur auf die Infektion eingehen. Im täglichen Leben merke ich körperlich nichts von der Infektion. Ich habe von meinem Medikament keine Nebenwirkungen.
Psychisch merke ich einiges. Externe Stigmatisierung und Selbststigmatisierung machen es manchmal nicht leicht, die Infektion mit sich zu tragen. In der Welt Aids Tag Kampagne geht es ja auch nicht direkt darum, AIDS zu beenden (das natürlich auch) sondern primär das Stigma abzubauen und Vorurteile los zu werden.
Wird die Viruslast bei HIV/AIDS ebenfalls per PCR-Test gemessen? Und was sind die Grenzwerte, unterhalb derer man als „nicht anteckend“ gilt?
Ja, für HIV gibt es auch einen PCR-Test. Alles unter 50 lebenden Viren pro ml gilt als „unter der Nachweisgrenze“. Hier ein Beispiel wie das bei meinem letzten Befund aussah:

Insgesamt sind die Testverfahren so weit, dass die Nachweisgrenze bei 20 lebenden Viren liegt – diese Testverfahren werden aber kaum angewendet. Ab einer Last von 200 lebenden Viren pro ml Blut gilt man nicht mehr als sexuell infektiös.
Kriegt jeder, der sich mit HIV infiziert, AIDS?
Ohne Therapie früher ode später ja. Das kommt aber natürlich auch drauf an, wie alt die Person ist und mit welchem HIV-Stamm sie sich infiziert hat. Eine person mit 90 und einer frischen HIV‑2 Infektion wird den Ausbruch der Erkrankung vermutlich nicht mehr erleben.
Warum ist ein HIV Test bei vielen so schambehaftet? Und wieso machen es so wenig?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn hier spielen einige Faktoren mit rein:
- Zugänglichkeit
- Sexualmoral und damit einhergehend
- Stigmatisierung von Menschen die sich Testen lassen.
Um einen Test durchzuführen braucht die Person eine Stelle, wo sie sich testen lassen kann, also eine Praxis, in der das gerne gemacht wird. Gerade in der Fläche ist das oft schwierig zu finden. Klar, Gesundheitsämter existieren aber auch dort wird man oft sehr ungut behandelt, wenn es um einen Test auf HIV/STD geht. Dazu kommen Kosten: der Test ist zu bezahlen und wenige Ärzte*innen kennen das magische Worte (Risikokontakt), so dass die Kasse die Kosten übernimmt. Es gibt Testsmöglichkeiten bei der Aidshilfe und anderen Stellen, die kostenfrei oder sogar umsonst sind, aber die müssen auch erreichbar sein.
Wie ist das mit der PrEP? Gibt es da Nebenwirkungen? Kann man die einfach nehmen? Geht man da einfach zum Hausarzt und bekommt die dann? Was ist mit Verträglichkeit mit anderen Medikamenten?
Die PrEP (Prä Expositions Prophylaxe) bekommst du rein theoretisch beim Hausarzt wenn… ja wenn was? Nicht jede Praxis darf die PrEP verschreiben, sie muss sich damit auskennen. Das ist auch eine sinnvolle Regelung, denn auch wenn die PrEP gut funktioniert sind alle 3 Monate Untersuchungen durchzuführen und die Arztperson sollte scho verstehen, was da aus dem Labor zurück kommt. In der Regel sind es sogenannte Schwerpunktpraxen, die die PrEP verschreiben. Die hausärztliche Praxis sollte dich zu einer verweisen können.
Du bekommst die PrEP, wenn in Deinem Verhalten ein „substanzielles“ Risiko liegt, dich mit HIV zu infizieren. In der Regel bekommen promiske Männer, die Sex mit Männern haben, Sexarbeitende, trans Personen und Drogengebrauchende die PrEP verschrieben.
Als PrEP zugelassen ist Truvada und baugleiche Genrika. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Hautausschlag und Schwächegefühl. als ich noch Truvada nahm, waren die Nebenwirkungen nach einer Woche vorbei und alles gut. Ich kenne Fälle, wo sie anhalten und vor allem kenne ich überwiegend PrEP-Gebrauchende, die gar keine Nebenwirkungen haben. Wie immer musst Du das mit Dir selbst ausmachen Sind es mir die Nebenwirkungen wert? Wenn ja, go for it!
Truvada hat Wechselwirkungen mit anderen HIV Medikamente und einigen Hepatitis B Medikamenten. Da es über die Niere abgebaut ist, sollte man auf jeden Fall mit der Praxis oder Apotheke Rücksprache halten, wenn andere Medikamente, die über die Niere abgebaut werden, genommen werden sollen.
Was hältst du von dem Slogan „Gib AIDS keine Chance“? Ich finde ihn stigmatisierend.
Hm. Ich bin ehrlich sehr ambivalent. Was der Slogan sagen will: Du musst dich selbst schützen. Anderer können das nicht für dich tun. Das ist richtig. In einer Welt, in der Kondome, PrEP und Testmöglichkeiten für alle Menschen zugänglich sind, kann das auch funktionieren.
Was er aber auch macht: Die Verantwortung auf die einzelne Person schieben – dabei war es ein gesellschaftlicher Kraftakt, dort hin zu kommen, wo wir heute stehen. Wenn es auf die Einzelverantwortung des Einzelnen angekommen wäre, würden HIV/AIDS ganz anders grassieren als bisher.
Ob der Slogan stigmatisiert? Ich empfinde es nicht so – aber ich spreche da nur für mich. Was der Slogan macht(e) ist aber, den Fokus auf die Erkrankung AIDS zu schieben und nicht auf die Infektion mit HIV. Neuinfektionen wollen wir verhindern, wir sprechen aber oft nur über die Erkrankung und nicht über das Virus.
Welche Einschränkungen gibt es trotz medizinischer Behandlung?
Es gibt meines Wissens nach keinen bekannten Fall, wo bei einer positiven Person eine Hepatitis spontan ausgeheilt wäre (was sonst halt vorkommen kann).
Ansonsten gibt es Einschränkungen bei der Wahl der Reiseziele oder wohin ich auswandern könnte oder wo ich ein Arbeitsvisum bekäme.
Wie ist das beim HI-Virus mit verschiedenen Virenstämmen? Hängt das verwendete Medikament davon ab? Und wie ist das mit PREP und Virenstämmen?
Es existieren HIV‑1 und HIV‑2 mit Untergruppen und Subtypen. Je nach Stamm verwendet man andere Medikamente zur Behandlung. Die PrEP ist Wirksam gegen HIV‑1 – also dem Stamm, der hier in der Regel auftritt. Es gibt Menschen mit Doppelinfektionen, die beide jeweils behandelt werden müssen.
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