23. Januar 2023

Pri­vat-o-Mat: wie hältst Du des mit dem Datenschutz?

Von tomate
Lese­dau­er 5 Minu­ten

Daten­schutz. Ich weiß, eini­ge kön­nen das Wort nicht mehr hören, ande­re nicht oft genug und außer­dem ist der Daten­schutz eh immer an allem schuld, wenn etwas nicht funk­tio­niert. Uns hat der Über­wa­chungs­ka­pi­ta­lis­mus in den Hän­den, das ist kein Geheim­nis. Wir wis­sen: SIE über­wa­chen uns. SIE sind über­all und DU kannst nichts dage­gen tun. Oder doch?

Immer wie­der gibt es Pro­jek­te und Ideen, wie Men­schen für den Schutz der eige­nen Daten sen­si­bi­li­siert wer­den kön­nen. Eini­ge sind erfolg­rei­cher, ande­re nicht so, das liegt ver­mut­lich in der Natur der Sache. Das The­ma ist furcht­bar tro­cken und zu ver­ber­gen hat ja auch nie­mand was (ich auch nicht bzw. sag ich euch nicht, was ich zu ver­ber­gen habe). Ein paar Stu­die­ren­de des Insti­tuts für Digi­tal­ethik der Hoch­schu­le der Medi­en Stutt­gart waren wohl vom Wahl-o-Mat beein­druckt und dach­ten sich, dass das doch auch mit dem The­ma Daten­schutz funk­tio­nie­ren müss­te. Auftritt:

Das Pri­vat-o-Mat Logo

Natür­lich steht auf der Web­site, für was die­ser o‑Mat nütz­lich sein soll:

Ent­schei­dun­gen zum The­ma Daten­schutz und zum Schutz der eige­nen Pri­vat­sphä­re sind Teil des digi­ta­len All­tags gewor­den. Des­halb hel­fen wir dir dabei, dei­ne Ein­stel­lung und dein per­sön­li­ches Ver­hal­ten dazu zu reflek­tie­ren und bes­ser zu verstehen.

https://​pri​vat​-​o​-mat​.de/

Hey, eige­nes Ver­hal­ten reflek­tie­ren? Sich selbst im Umgang mit den eige­nen Daten bes­ser ver­ste­hen? Ja auf gehts! Ich habe den o‑Mat gemacht und darf ver­mel­den, dass ich … also … ich bin voll gut mit Daten­schutz. Oder so.

Es kom­men nun 15 Schrit­te. Als ers­tes dür­fen Nut­zen­de zwi­schen fünf Selbst­ein­schät­zun­gen aus­wäh­len. Ich hän­ge zwi­schen „Ich ver­su­che, mei­ne Daten zu schüt­zen, aber auf man­che Diens­te möch­te ich ein­fach nicht ver­zich­ten.“ und „Ich pro­bie­re alle neu­en digi­ta­len Pro­duk­te und Diens­te aus! Daten­schutz kommt erst an zwei­ter Stel­le.“ fest. Bei­des stimmt irgend­wie, mir fehlt „Ich pro­bie­re vie­le neu­en digi­ta­len Pro­duk­te und Diens­te aus! Ich ver­wen­de Weg­werf-Adres­sen und benut­ze fal­sche Namen.“ Ich ent­schei­de mich für die ers­te Vari­an­te. Nächs­te Fra­ge : „Wel­che Mes­sen­ger­diens­te benutzt du?“ Die mög­li­chen sechs Antworten:

  • Ich nut­ze den Mes­sen­ger, der in mei­nem per­sön­li­chen Umfeld am häu­figs­ten genutzt wird.
  • Ich nut­ze ver­schie­de­ne Mes­sen­ger­diens­te und pro­bie­re ger­ne neue Diens­te aus, um immer auf dem neus­ten tech­ni­schen Stand zu sein.
  • Ich ver­su­che, mög­lichst daten­schutz­freund­li­che Diens­te wie Signal zu benut­zen, aber ich kom­mu­ni­zie­re auch über ande­re Diens­te, weil ich bestimm­te Kon­tak­te nicht ver­lie­ren möchte.
  • Ich nut­ze aus­schließ­lich daten­schutz­freund­li­che Diens­te, über die ich mich vor­her genau infor­miert habe.
  • Ich nut­ze den Mes­sen­ger, der mir die meis­ten Vor­tei­le bie­tet. Der Daten­schutz ist dabei aber kein ent­schei­den­des Kri­te­ri­um für mich.
  • Ich nut­ze über­haupt kei­ne Mes­sen­ger­diens­te, son­dern grei­fe lie­ber auf ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel zurück wie bei­spiels­wei­se SMS, Tele­fon, E‑Mail etc.

Die Ant­wort, die ich ger­ne aus­wäh­len wür­de: „Ich nut­ze ver­schie­de­ne Mes­sen­ger­diens­te und pro­bie­re ger­ne neue aus. Gene­rell dür­fen Mes­sen­ger nicht auf mein Tele­fon­buch zugrei­fen, auch nicht daten­schutz­freund­li­che Diens­te, über die ich mich vor­her genau infor­miert habe.“

Die Idee, dass E‑Mail (vor allem unver­schlüs­selt) irgend­wie daten­schutz­freund­lich sein soll, erschließt sich mir nicht. Ich wäh­le Ant­wort drei. 

Fra­ge 2: Wor­auf ach­test du beim Kauf eines neu­en Smartphones?

  • Ich ent­schei­de mich immer für die neu­es­ten Spit­zen­mo­del­le mit den bes­ten Features.
  • Ich ach­te auf das bes­te Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis und ent­schei­de haupt­säch­lich danach, wie mir das Gerät gefällt und wie es sich bedie­nen lässt.
  • Ich ent­schei­de mich nur für Model­le und Her­stel­ler, bei denen ich weiß, dass der Daten­schutz geach­tet wird und dass ich selbst detail­lier­te Pri­vat­sphä­re­ein­stel­lun­gen auf dem Smart­phone tref­fen kann.
  • Ich ach­te zwar schon auf die Mög­lich­keit, daten­schutz­freund­li­che Vor­ein­stel­lun­gen zu tref­fen, aber sie sind nicht das vor­ran­gi­ge Entscheidungskriterium.
  • Ich nut­ze kein Smartphone.

Die meis­ten Men­schen haben die Wahl zwi­schen einem iPho­ne, einem Android Tele­fon mit Goog­le Play Ser­vices oder einem Huia­waei. Ich selbst bin iPho­ne-Nut­zer, aller­dings kau­fen ich mir immer nur das aktu­el­le SE, wenn ich ein neu­es Tele­fon brau­che. Ant­wort 1, 2, 3 4 und 5 fal­len raus. Kei­ne der Ant­wor­ten betrach­tet Fak­to­ren wie „Geld­mit­tel“ oder „Fähig­kei­ten ein alter­na­ti­ves OS zu instal­lie­ren und zu ver­wen­den“. Ich ent­schei­de mich für 4, denn das ist genau­so falsch wie der Rest, aller­dings auch am wenigs­tens falsch.

Fra­ge 3: Wie ver­bin­dest du Dich mit dem Inter­net, wenn du unter­wegs bist?

  • Ich nut­ze aus­schließ­lich mei­ne mobi­len Daten und leh­ne es aus Daten­schutz­grün­den kate­go­risch ab, ein öffent­li­ches WLAN zu nutzen.
  • Sobald ein öffent­li­ches WLAN zur Ver­fü­gung steht, grei­fe ich ger­ne dar­auf zurück, ist ja auch bes­ser fürs Datenvolumen.
  • Ich wäh­le den Weg, der mir den schnells­ten Zugang und die bes­te Daten­über­tra­gung ermöglicht.
  • Ich nut­ze meis­tens mei­ne mobi­len Daten, aber bei einem ver­trau­ens­wür­di­gen Anbie­ter nut­ze ich auch ein öffent­li­ches WLAN.
  • Wenn ich unter­wegs bin, bin ich offline.

Bit­te was? Haben die Macher*innen schon mal etwas von „VPN“ gehört? War­um ist Ant­wort 2 so jovi­al for­mu­liert? Was ist ein „ver­trau­ens­wür­di­ger Anbie­ter“ aus Ant­wort 4? Wie­so gibt es nicht „ich ver­wen­de ein VPN“? Sind frei­funk-Zugän­ge nicht ver­trau­ens­wür­dig? Was ist eigent­lich das Pro­blem mit öffent­li­chen WLAN? Ich neh­me Num­mer 3.

Fra­ge 4 ist lang­wei­lig, die erspa­re ich euch; es geht um Such­ma­schi­nen und war­um benutzt du nicht Eco­sia oder Start­pa­ge (ja, ich habe von Start­pa­ge vor­her auch noch nie gehört, laut Stif­tung Waren­test „Die sichers­te Such­ma­schi­ne der Welt“ und für Cosi­ma muss­te ich erst­mal die Adres­se googeln…)

Fra­ge 5: Wie ver­hältst du dich, wenn du beim Auf­ru­fen einer neu­en Web­sei­te nach den Coo­kie-Ein­stel­lun­gen gefragt wirst?

  • Das nervt mich total, des­halb akzep­tie­re ich sofort alle Coo­kies, damit das Pop-Up-Fens­ter end­lich verschwindet.
  • Ich nut­ze gene­rell einen Brow­ser, der kei­ne Coo­kies zulässt, oder einen Trackingblocker.
  • Ich fin­de den Ein­satz von Coo­kies sinn­voll und sehe dar­in sogar Vor­tei­le für mich, des­halb stim­me ich ger­ne zu.
  • Ich akzep­tie­re nur das not­wen­di­ge Setting.
  • Ich kli­cke ein­fach auf Akzep­tie­ren. Ich bin mir gar nicht so sicher, was Coo­kies eigent­lich sind.

Was ich ger­ne ankli­cken möch­te: „Ich zün­de alles an und bin genervt“. Mir ist bewusst, dass ich hier auch so eine fuck­ing coo­kie-Check­box habe, denn sobald ihr Kom­men­ta­re hin­ter­lasst, wird ein Coo­kie gesetzt oder wenn ihr irgend­wel­che Ein­bet­tun­gen erlaubt, dann muss ich das ja doku­men­tie­ren (fragt nicht) und über­haupt ist das ein Kreuz mit den Coo­kies. Was ich ankreu­zen möch­te „Das nervt mich total, vor allem, weil das Ableh­nen so oft so kom­pli­ziert ist.“ 

Ant­wort 4 und wei­ter: Mel­dest du dich nach der Nut­zung von Sozia­len Netz­wer­ken ab?

  • Ich log­ge mich nach jeder Nut­zung wie­der aus oder nut­ze gar kei­ne Sozia­len Netz­wer­ke aus Datenschutzgründen.
  • Meis­tens, wenn ich es nicht vergesse.
  • Nein, denn so erspa­re ich mir bewusst die erneu­te Passworteingabe.
  • Ich bin eigent­lich fast immer online.
  • Dar­auf habe ich bis­lang noch nie geachtet.
  • Ich nut­ze aus ande­ren Grün­den kei­ne sozia­len Netzwerke.

Wo fan­ge ich denn jetzt an? Ant­wort 1 und Ant­wort 6 sind red­un­dant. Ich ver­ges­se es auch nicht, mich aus­zu­log­gen, mein Brow­ser löscht halt alle Coo­kies, wenn ich ihn zu mache. Haben die Macher*innen schon mal von Fire­fox Mul­ti-Account Con­tai­ners gehört? Pass­wort­ma­na­gern? Ant­wort 3 wäre dann hin­fäl­lig. Übri­gens bin ich auch fast immer online, aber halt doch nicht immer in einem Sozia­len Netz. Ich hal­te es für mehr als Fahr­läs­sig, online sein mit „auf Facebook/Twitter/Instagram her­um­hän­gen“ gleich­zu­set­zen. Man kann schließ­lich auch stun­den­lang ein­fach nur You­Tube schau­en oder irgend­wel­che Web­sei­ten lesen. 

Ich bre­che hier mit dem Zitie­ren aller Fra­gen und Ant­wor­ten ab, das wür­de ja den Spaß neh­men, den Pri­vat-o-Mat selbst aus­zu­pro­bie­ren und sich auf­zu­re­gen und es gibt kei­ne sub­stan­ti­el­le Ergän­zung zu mei­ner Kritik:

  • Das Pro­jekt sagt nir­gend­wo, war­um bestimm­te Hand­lun­gen oder Funk­tio­nen Pro­ble­me für den Schutz eige­ner Daten mit sich bringen.
  • Es gibt kei­ne Infor­ma­ti­on, wo Nut­zen­de nach­le­sen kön­nen, was sie wie bes­ser machen können.
  • Öko­no­mi­sche Situa­tio­nen wird ignoriert.
  • Es feh­len ein­fach sinn­vol­le Optio­nen, eini­ge Fragen/antworten sind sehr unscharf formuliert.

Trotz aller Kri­tik habe ich natür­lich den Pri­vat-o-Mat fer­tig gemacht und mein Ergeb­nis sagt, dass ich zu 44% mit mei­ner Selbst­ein­schät­zung rich­tig lag.

Mein Ergeb­nis

Natür­lich fra­ge ich mich: Sehe ich das zu kri­tisch? Erwar­te ich zu viel von einem uni­ver­si­tä­rem Pro­jekt eines Insti­tuts für digi­ta­le Ethik, dass vom Lan­des­be­auf­trag­ten für Daten­schutz und Infor­ma­ti­ons­frei­heit Baden-Würt­tem­berg unter­stützt wird? Ih glau­be, das sich das nicht zu kri­tisch sehe und nicht zu viel erwar­te, son­dern dass das Pro­jekt gut gemeint ist aber schlech­ter als der Buzzfeed „Which Star Wars Cha­rac­ter are you“-Quizz umge­setzt ist. Das hat wenigs­tens Bilder.


Titel­bild: Screen­shot von https://​pri​vat​-​o​-mat​.de, Hin­ter­grund eingefärbt.