Privat-o-Mat: wie hältst Du des mit dem Datenschutz?
Datenschutz. Ich weiß, einige können das Wort nicht mehr hören, andere nicht oft genug und außerdem ist der Datenschutz eh immer an allem schuld, wenn etwas nicht funktioniert. Uns hat der Überwachungskapitalismus in den Händen, das ist kein Geheimnis. Wir wissen: SIE überwachen uns. SIE sind überall und DU kannst nichts dagegen tun. Oder doch?
Immer wieder gibt es Projekte und Ideen, wie Menschen für den Schutz der eigenen Daten sensibilisiert werden können. Einige sind erfolgreicher, andere nicht so, das liegt vermutlich in der Natur der Sache. Das Thema ist furchtbar trocken und zu verbergen hat ja auch niemand was (ich auch nicht bzw. sag ich euch nicht, was ich zu verbergen habe). Ein paar Studierende des Instituts für Digitalethik der Hochschule der Medien Stuttgart waren wohl vom Wahl-o-Mat beeindruckt und dachten sich, dass das doch auch mit dem Thema Datenschutz funktionieren müsste. Auftritt:

Natürlich steht auf der Website, für was dieser o‑Mat nützlich sein soll:
Entscheidungen zum Thema Datenschutz und zum Schutz der eigenen Privatsphäre sind Teil des digitalen Alltags geworden. Deshalb helfen wir dir dabei, deine Einstellung und dein persönliches Verhalten dazu zu reflektieren und besser zu verstehen.
https://privat-o-mat.de/
Hey, eigenes Verhalten reflektieren? Sich selbst im Umgang mit den eigenen Daten besser verstehen? Ja auf gehts! Ich habe den o‑Mat gemacht und darf vermelden, dass ich … also … ich bin voll gut mit Datenschutz. Oder so.
Es kommen nun 15 Schritte. Als erstes dürfen Nutzende zwischen fünf Selbsteinschätzungen auswählen. Ich hänge zwischen „Ich versuche, meine Daten zu schützen, aber auf manche Dienste möchte ich einfach nicht verzichten.“ und „Ich probiere alle neuen digitalen Produkte und Dienste aus! Datenschutz kommt erst an zweiter Stelle.“ fest. Beides stimmt irgendwie, mir fehlt „Ich probiere viele neuen digitalen Produkte und Dienste aus! Ich verwende Wegwerf-Adressen und benutze falsche Namen.“ Ich entscheide mich für die erste Variante. Nächste Frage : „Welche Messengerdienste benutzt du?“ Die möglichen sechs Antworten:
- Ich nutze den Messenger, der in meinem persönlichen Umfeld am häufigsten genutzt wird.
- Ich nutze verschiedene Messengerdienste und probiere gerne neue Dienste aus, um immer auf dem neusten technischen Stand zu sein.
- Ich versuche, möglichst datenschutzfreundliche Dienste wie Signal zu benutzen, aber ich kommuniziere auch über andere Dienste, weil ich bestimmte Kontakte nicht verlieren möchte.
- Ich nutze ausschließlich datenschutzfreundliche Dienste, über die ich mich vorher genau informiert habe.
- Ich nutze den Messenger, der mir die meisten Vorteile bietet. Der Datenschutz ist dabei aber kein entscheidendes Kriterium für mich.
- Ich nutze überhaupt keine Messengerdienste, sondern greife lieber auf andere Kommunikationsmittel zurück wie beispielsweise SMS, Telefon, E‑Mail etc.
Die Antwort, die ich gerne auswählen würde: „Ich nutze verschiedene Messengerdienste und probiere gerne neue aus. Generell dürfen Messenger nicht auf mein Telefonbuch zugreifen, auch nicht datenschutzfreundliche Dienste, über die ich mich vorher genau informiert habe.“
Die Idee, dass E‑Mail (vor allem unverschlüsselt) irgendwie datenschutzfreundlich sein soll, erschließt sich mir nicht. Ich wähle Antwort drei.
Frage 2: Worauf achtest du beim Kauf eines neuen Smartphones?
- Ich entscheide mich immer für die neuesten Spitzenmodelle mit den besten Features.
- Ich achte auf das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und entscheide hauptsächlich danach, wie mir das Gerät gefällt und wie es sich bedienen lässt.
- Ich entscheide mich nur für Modelle und Hersteller, bei denen ich weiß, dass der Datenschutz geachtet wird und dass ich selbst detaillierte Privatsphäreeinstellungen auf dem Smartphone treffen kann.
- Ich achte zwar schon auf die Möglichkeit, datenschutzfreundliche Voreinstellungen zu treffen, aber sie sind nicht das vorrangige Entscheidungskriterium.
- Ich nutze kein Smartphone.
Die meisten Menschen haben die Wahl zwischen einem iPhone, einem Android Telefon mit Google Play Services oder einem Huiawaei. Ich selbst bin iPhone-Nutzer, allerdings kaufen ich mir immer nur das aktuelle SE, wenn ich ein neues Telefon brauche. Antwort 1, 2, 3 4 und 5 fallen raus. Keine der Antworten betrachtet Faktoren wie „Geldmittel“ oder „Fähigkeiten ein alternatives OS zu installieren und zu verwenden“. Ich entscheide mich für 4, denn das ist genauso falsch wie der Rest, allerdings auch am wenigstens falsch.
Frage 3: Wie verbindest du Dich mit dem Internet, wenn du unterwegs bist?
- Ich nutze ausschließlich meine mobilen Daten und lehne es aus Datenschutzgründen kategorisch ab, ein öffentliches WLAN zu nutzen.
- Sobald ein öffentliches WLAN zur Verfügung steht, greife ich gerne darauf zurück, ist ja auch besser fürs Datenvolumen.
- Ich wähle den Weg, der mir den schnellsten Zugang und die beste Datenübertragung ermöglicht.
- Ich nutze meistens meine mobilen Daten, aber bei einem vertrauenswürdigen Anbieter nutze ich auch ein öffentliches WLAN.
- Wenn ich unterwegs bin, bin ich offline.
Bitte was? Haben die Macher*innen schon mal etwas von „VPN“ gehört? Warum ist Antwort 2 so jovial formuliert? Was ist ein „vertrauenswürdiger Anbieter“ aus Antwort 4? Wieso gibt es nicht „ich verwende ein VPN“? Sind freifunk-Zugänge nicht vertrauenswürdig? Was ist eigentlich das Problem mit öffentlichen WLAN? Ich nehme Nummer 3.
Frage 4 ist langweilig, die erspare ich euch; es geht um Suchmaschinen und warum benutzt du nicht Ecosia oder Startpage (ja, ich habe von Startpage vorher auch noch nie gehört, laut Stiftung Warentest „Die sicherste Suchmaschine der Welt“ und für Cosima musste ich erstmal die Adresse googeln…)
Frage 5: Wie verhältst du dich, wenn du beim Aufrufen einer neuen Webseite nach den Cookie-Einstellungen gefragt wirst?
- Das nervt mich total, deshalb akzeptiere ich sofort alle Cookies, damit das Pop-Up-Fenster endlich verschwindet.
- Ich nutze generell einen Browser, der keine Cookies zulässt, oder einen Trackingblocker.
- Ich finde den Einsatz von Cookies sinnvoll und sehe darin sogar Vorteile für mich, deshalb stimme ich gerne zu.
- Ich akzeptiere nur das notwendige Setting.
- Ich klicke einfach auf Akzeptieren. Ich bin mir gar nicht so sicher, was Cookies eigentlich sind.
Was ich gerne anklicken möchte: „Ich zünde alles an und bin genervt“. Mir ist bewusst, dass ich hier auch so eine fucking cookie-Checkbox habe, denn sobald ihr Kommentare hinterlasst, wird ein Cookie gesetzt oder wenn ihr irgendwelche Einbettungen erlaubt, dann muss ich das ja dokumentieren (fragt nicht) und überhaupt ist das ein Kreuz mit den Cookies. Was ich ankreuzen möchte „Das nervt mich total, vor allem, weil das Ablehnen so oft so kompliziert ist.“
Antwort 4 und weiter: Meldest du dich nach der Nutzung von Sozialen Netzwerken ab?
- Ich logge mich nach jeder Nutzung wieder aus oder nutze gar keine Sozialen Netzwerke aus Datenschutzgründen.
- Meistens, wenn ich es nicht vergesse.
- Nein, denn so erspare ich mir bewusst die erneute Passworteingabe.
- Ich bin eigentlich fast immer online.
- Darauf habe ich bislang noch nie geachtet.
- Ich nutze aus anderen Gründen keine sozialen Netzwerke.
Wo fange ich denn jetzt an? Antwort 1 und Antwort 6 sind redundant. Ich vergesse es auch nicht, mich auszuloggen, mein Browser löscht halt alle Cookies, wenn ich ihn zu mache. Haben die Macher*innen schon mal von Firefox Multi-Account Containers gehört? Passwortmanagern? Antwort 3 wäre dann hinfällig. Übrigens bin ich auch fast immer online, aber halt doch nicht immer in einem Sozialen Netz. Ich halte es für mehr als Fahrlässig, online sein mit „auf Facebook/Twitter/Instagram herumhängen“ gleichzusetzen. Man kann schließlich auch stundenlang einfach nur YouTube schauen oder irgendwelche Webseiten lesen.
Ich breche hier mit dem Zitieren aller Fragen und Antworten ab, das würde ja den Spaß nehmen, den Privat-o-Mat selbst auszuprobieren und sich aufzuregen und es gibt keine substantielle Ergänzung zu meiner Kritik:
- Das Projekt sagt nirgendwo, warum bestimmte Handlungen oder Funktionen Probleme für den Schutz eigener Daten mit sich bringen.
- Es gibt keine Information, wo Nutzende nachlesen können, was sie wie besser machen können.
- Ökonomische Situationen wird ignoriert.
- Es fehlen einfach sinnvolle Optionen, einige Fragen/antworten sind sehr unscharf formuliert.
Trotz aller Kritik habe ich natürlich den Privat-o-Mat fertig gemacht und mein Ergebnis sagt, dass ich zu 44% mit meiner Selbsteinschätzung richtig lag.

Natürlich frage ich mich: Sehe ich das zu kritisch? Erwarte ich zu viel von einem universitärem Projekt eines Instituts für digitale Ethik, dass vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg unterstützt wird? Ih glaube, das sich das nicht zu kritisch sehe und nicht zu viel erwarte, sondern dass das Projekt gut gemeint ist aber schlechter als der Buzzfeed „Which Star Wars Character are you“-Quizz umgesetzt ist. Das hat wenigstens Bilder.
Titelbild: Screenshot von https://privat-o-mat.de, Hintergrund eingefärbt.
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@tomate Sehr schön geschrieben, sehr ähnlich ging es mir auch, als ich die Seite durch geklickt habe.
@tomate Es ist grausam! Könnt‘ mich allein ’ne halbe Stunde über die Frage mit dem öffentlichen WLAN aufregen. Von der fehlenden Auswahl „nutze ich nicht, weil meine Mobil-Flatrate echt reicht“ bis zur fraglichen Relevanz für Datenschutz.
Hm bin unsicher, ob die Seite sich ganz ganz niedrigschwellig nur an Leute richtet, die sich noch GAR nicht weiter damit beschäftigt haben – weniger an Leute, die sich eh schon damit befassen. Natürlich schade, dass nicht die Chance genutzt wird, konkrete Maßnahmen zu empfehlen.
Wenn sich die Seite an Menschen richtet, die sich eh schon damit befassen ergeben die Auswahlmöglichkeiten noch weniger Sinn. Niemand, der sagt „Datenschutz ist mir egal“ wird so eine Seite benutzen – außer um sich darüber lustig zu machen.
Antwortmöglichkeiten, die mir fehlen:
Frage 9: „Ich besitze kein Smartphone, also brauche ich mich nicht mit Zugriffsrechten befassen.“
Frage 12: „Nein. Ich würde eine deppensichere Open-Source-Alternative bevorzugen, bei der die Daten auf einem meiner eigenen Datenträger statt auf den Servern fremder Leute (denn nichts Anderes ist eine „Cloud“) gespeichert werden.“
Hmm, danke für den Bericht. Denn leider ist der Privat-o-Mat bei meinen Browsereinstellungen nicht darstellbar. Dafür gibt es nachweislich keinen technischen Grund (für den Seitenbetreiber). So eine Umfrage geht vielleicht nicht gut ohne Cookies, doch sehr gut ohne die Dinge die bei mir mit Hilfe von µMatrix, µBlock und about:config verboten sind. Sowas und mehr habe ich schon gemacht.
Wer also andes auf Datenschutz wert legt, als die Betreiber es sich vorstellen, wird ohne jeden technischen Grund ausgeschlossen. Es könnte wenigstens es eine Meldung geben, warum das nicht funktioniert.
Ich sehe da entweder eine Absicht oder mangelhafte Kompetenz. Falls die Seite aber einfach defekt ist, so könnte man sie auch vom Netz nehmen.