Fenster
Es gibt diese Momente, in denen die Welt plötzlich sehr still wird. Nicht im guten Sinne. Eher so, als würde die Luft dünner werden, als würde etwas fehlen, das man nicht benennen kann, weil man es nie hatte.
Ich sitze manchmal da – auf dem Sofa, in der Bahn, beim Arbeiten – und sehe Menschen. Oder Bilder. Oder Geschichten. Und dann ist da dieses Gefühl. Nicht Neid, nicht genau. Eher eine Schwere, eine Trauer über etwas, das nie existiert hat. Über eine Version von mir, die es hätte geben können, wenn die Umstände andere gewesen wären. Wenn die Zeit anders gelaufen wäre. Wenn das Fenster offen gewesen wäre, als ich noch klein genug war, um hindurchzupassen.
Manche Dinge lassen sich nachholen. Man kann mit 40 noch lernen, wer man ist. Man kann Communities finden, Sprache finden, sich selbst finden.
Aber manche Dinge? Die haben ein Verfallsdatum. Nicht weil die Gesellschaft das so will, sondern weil Körper sich verändern, weil Zeit linear ist, weil manche Ausdrucksformen an bestimmte Momente im Leben gebunden sind. Und wenn man diese Momente verpasst – weil man sich verstecken musste, weil man nicht wusste, weil die Welt noch nicht bereit war oder man selbst noch nicht oder beides – dann sind sie weg.
Für immer.
Ich weiß nicht, was ich mit diesem Wissen anfangen soll. Es liegt da, schwer, mitten im Weg und manchmal kann ich es ignorieren. Aber manchmal nicht. Heute ist so ein Tag.
Es ist seltsam, um etwas zu trauern, das es nie gab. Um eine Version von sich selbst, die nur in Parallelwelten existiert. Die Leute™ sagen dann gerne Dinge wie „aber du bist doch jetzt hier“ oder „es ist nie zu spät“ oder „das Wichtigste ist, dass du jetzt authentisch leben kannst“. Und das stimmt alles auch. Aber es ändert nichts daran, dass da ein Loch ist. Ein Loch in der Form von all den Jahren, die ich nicht hatte, und all den Versionen von mir, die ich nie sein konnte.
Ich sitze mit dieser Erkenntnis und weiß: Es gibt keine Lösung. Keine Zeitmaschine. Keinen Weg zurück. Nur das Wissen, dass manche Fenster sich geschlossen haben, bevor ich überhaupt wusste, dass sie da waren.
Und manchmal ist das okay. Ich kann damit leben, meistens. Muss ja, ne?
Aber heute – heute fühlt es sich an wie Betrug. Als hätte mir jemand etwas versprochen und dann die Regeln geändert, während ich nicht hingeguckt habe. Als wäre ich zu spät zu einer Party gekommen, die schon vorbei ist, und jetzt stehe ich vor einer leeren Wohnung und kann sehen, was ich verpasst habe.
Es ist, wie es ist. Morgen vielleicht anders. Aber heute sitze ich damit herum und weiß nicht einmal, warum ich diesen Post hier gerade schreibe.
@tomate
🫂
ich fühle diesen Text mehr als ich möchte.
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Sorry -.-
@tomate nene, nich sorry. Ich sage danke.
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@tomate oh ja, nur zu gut. 😌 Danke
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