Zeigen wir, was geht, solange niemand gendern will*
Die FDP Bremen ist empört über ihren Ausschluss vom Bremer Christopher Street Day 2025 und wirft den Veranstaltern „Intoleranz“ vor. Fraktionschef Thore Schäck spielt das Opfer und behauptet, der CSD bekämpfe genau das, was er fördern wolle: Toleranz für alle. Natürlich ist sich ein FDPler nicht zu blöd, mit diesem Argument zu kommen. Aber was ist denn eigentlich jetzt genau passiert?
Die FDP wurde ausgeschlossen, weil sie einen Antrag gestellt hatte, der „Schluss mit Gendersprache im öffentlichen Dienst“ forderte. Schäck bezeichnete geschlechtergerechte Sprache als „Gender-Unsinn“, „Fantasiesprache“ und „Verunglimpfung“ der deutschen Sprache. Das ist die gleiche die Sprache, mit der queerfeindliche Akteure systematisch die Existenz von trans, inter und nicht binären Menschen angreifen. Es fehlt nur noch „Gender Gaga“ im Vokabular von Schäck, dann wäre meine Bingokarte voll.
Toleranz versus Akzeptanz
Der Denkfehler der FDP liegt in der Verwechslung von Toleranz und Akzeptanz. Toleranz bedeutet: „Ich ertrage dich, obwohl ich dich ablehne. Aber hey, ich lass dich existieren, auch wenn es mir wirklich wirklich schwer fällt.“ Akzeptanz bedeutet: „Du kannst sein, so wie du bist.“ Der CSD kämpft nicht für die gnädige Duldung queerer Menschen, sondern für ihre vollständige gesellschaftliche Anerkennung und Gleichberechtigung. Dass wir halt sein können, wie wir sind.
Wenn Schäck geschlechtergerechte Sprache als „Unsinn“ diffamiert, dann sagt er auch, dass meine Existenz und die Existenz von Menschen, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem einordnen lassen, Unsinn sind. Er fordert nicht nur die Abschaffung inklusiver Sprache, sondern die aktive Unsichtbarmachung queerer Identitäten in öffentlichen Räumen. Das ist das Gegenteil von Akzeptanz – es ist strukturelle Ausgrenzung.
FDP tut, was die FDP nun mal tut: sie opfert rum
Besonders dreist ist Schäcks Vorwurf, der CSD betreibe „Ausgrenzung Andersdenkender“ und sei damit „heuchlerisch“. Diese Umkehrung der Realität folgt einem bekannten Schema: Die Unterdrückten werden zu Unterdrückern erklärt, Diskriminierung wird als „abweichende Meinung“ verharmlost. Ich hätte gerne einmal so viel Macht, wie sie queeren Menscehn von Queerfeidnen zugesprochen wird. Dann wäre hier aber was los. Zurück zum Thema:
Ist Schäck wirklich so unwissend, oder ist das bewusste Strategie? Vermutlich beides. Die FDP nutzt hier das Paradox der Toleranz: Eine offene Gesellschaft muss intolerant gegenüber jenen sein, die die Toleranz selbst bedrohen. Wer die Existenzberechtigung queerer Menschen anzweifelt, kann nicht erwarten, auf deren Solidaritätsveranstaltung willkommen zu sein.
Der CSD ist keine neutrale Plattform für beliebige politische Meinungen. Er ist ein Raum der Selbstermächtigung für queere Menschen und ein Ort des Protests gegen Diskriminierung. Eine Partei, die aktiv daran arbeitet, queere Menschen sprachlich unsichtbar zu machen und sie sprachlich ausgrenzt hat dort einfach nichts verloren – nicht aus Intoleranz, sondern als Konsequenz auf das eigene Handeln. Natürlich darf die FDP so einen Antrag stellen, sie darf aber nicht erwarten, dass sie dann noch mitspielen darf.
Die FDP kann gerne ihre Sprachvorstellungen pflegen (auch wenn sie es nicht sollte). Aber sie kann nicht erwarten, dafür auf einem Pride gefeiert zu werden oder mitfeiern zu dürfen. Das wäre ungefähr so, als würde ein Brandstifter Einlass ins Feuerwehrfest fordern und „Intoleranz“ schreien, wenn man ihn vor der Tür stehen lässt. Außerdem ist jeder andere Tag Heten-Pride, da müssen die nicht noch bei uns auflaufen.
Übrigens: 2022 hat Schäck nach dem Angriff auf eine trans Frau nach dem CSD Münster noch folgendes verlauten lassen:
„Wir wollen allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Bremen und Deutschland ermöglichen. Selbstbestimmung heißt für uns, so leben zu können, wie man ist. Wir müssen Toleranz fördern und der Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher oder sexueller Identität ein Ende setzen.“
Zwischen dieser Mitteilung und dem Antrag der zum Ausschluss der FDP geführt hat liegen 685 Tage, ein bisschen mehr als 22 Monate. So lange hat es also gedauert, nach rechts zu rücken um zu versuchen, AfD-Wählende zur FDP zu holen. Wie wiederlich kann ein Mensch eigentlich sein? Schäck: Ja.
* Das Wahlprogamm 2023 der Bremer FDP hat den Titel „Zeigen wir, was geht“
Titelbild: Screenshot des Antrags „Schluss mit Gendersprache im öffentlichen Dienst“
Dieser Artikel ist wirklich auf den Punkt gebracht! Die FDPs Strategie ist doch klar: Sie spielen die Opferrolle, um ihre rechten Positionen zu verbergen. Der CSD ist kein Ort der Ausgrenzung, sondern der Zusammenhalt der Community. Es ist fassungslos zu sehen, wie Schäck versucht, mit solch einem Antrag zu kredibilisieren. Toller Widerstand gegen diese Heuchelei!