6. August 2025

Zei­gen wir, was geht, solan­ge nie­mand gen­dern will*

Von tomate
Lese­dau­er 3 Minu­ten

Die FDP Bre­men ist empört über ihren Aus­schluss vom Bre­mer Chris­to­pher Street Day 2025 und wirft den Ver­an­stal­tern „Into­le­ranz“ vor. Frak­ti­ons­chef Tho­re Schäck spielt das Opfer und behaup­tet, der CSD bekämp­fe genau das, was er för­dern wol­le: Tole­ranz für alle. Natür­lich ist sich ein FDPler nicht zu blöd, mit die­sem Argu­ment zu kom­men. Aber was ist denn eigent­lich jetzt genau passiert?

Die FDP wur­de aus­ge­schlos­sen, weil sie einen Antrag gestellt hat­te, der „Schluss mit Gen­der­spra­che im öffent­li­chen Dienst“ for­der­te. Schäck bezeich­ne­te geschlech­ter­ge­rech­te Spra­che als „Gen­der-Unsinn“, „Fan­ta­sie­spra­che“ und „Ver­un­glimp­fung“ der deut­schen Spra­che. Das ist die glei­che die Spra­che, mit der que­er­feind­li­che Akteu­re sys­te­ma­tisch die Exis­tenz von trans, inter und nicht binä­ren Men­schen angrei­fen. Es fehlt nur noch „Gen­der Gaga“ im Voka­bu­lar von Schäck, dann wäre mei­ne Bin­go­kar­te voll.

Tole­ranz ver­sus Akzeptanz

Der Denk­feh­ler der FDP liegt in der Ver­wechs­lung von Tole­ranz und Akzep­tanz. Tole­ranz bedeu­tet: „Ich ertra­ge dich, obwohl ich dich ableh­ne. Aber hey, ich lass dich exis­tie­ren, auch wenn es mir wirk­lich wirk­lich schwer fällt.“ Akzep­tanz bedeu­tet: „Du kannst sein, so wie du bist.“ Der CSD kämpft nicht für die gnä­di­ge Dul­dung quee­rer Men­schen, son­dern für ihre voll­stän­di­ge gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung und Gleich­be­rech­ti­gung. Dass wir halt sein kön­nen, wie wir sind.

Wenn Schäck geschlech­ter­ge­rech­te Spra­che als „Unsinn“ dif­fa­miert, dann sagt er auch, dass mei­ne Exis­tenz und die Exis­tenz von Men­schen, die sich nicht in das binä­re Geschlech­ter­sys­tem ein­ord­nen las­sen, Unsinn sind. Er for­dert nicht nur die Abschaf­fung inklu­si­ver Spra­che, son­dern die akti­ve Unsicht­bar­ma­chung quee­rer Iden­ti­tä­ten in öffent­li­chen Räu­men. Das ist das Gegen­teil von Akzep­tanz – es ist struk­tu­rel­le Ausgrenzung.

FDP tut, was die FDP nun mal tut: sie opfert rum

Beson­ders dreist ist Schäcks Vor­wurf, der CSD betrei­be „Aus­gren­zung Anders­den­ken­der“ und sei damit „heuch­le­risch“. Die­se Umkeh­rung der Rea­li­tät folgt einem bekann­ten Sche­ma: Die Unter­drück­ten wer­den zu Unter­drü­ckern erklärt, Dis­kri­mi­nie­rung wird als „abwei­chen­de Mei­nung“ ver­harm­lost. Ich hät­te ger­ne ein­mal so viel Macht, wie sie quee­ren Men­s­cehn von Que­er­feid­nen zuge­spro­chen wird. Dann wäre hier aber was los. Zurück zum Thema:

Ist Schäck wirk­lich so unwis­send, oder ist das bewuss­te Stra­te­gie? Ver­mut­lich bei­des. Die FDP nutzt hier das Para­dox der Tole­ranz: Eine offe­ne Gesell­schaft muss into­le­rant gegen­über jenen sein, die die Tole­ranz selbst bedro­hen. Wer die Exis­tenz­be­rech­ti­gung quee­rer Men­schen anzwei­felt, kann nicht erwar­ten, auf deren Soli­da­ri­täts­ver­an­stal­tung will­kom­men zu sein.

Der CSD ist kei­ne neu­tra­le Platt­form für belie­bi­ge poli­ti­sche Mei­nun­gen. Er ist ein Raum der Selbst­er­mäch­ti­gung für que­e­re Men­schen und ein Ort des Pro­tests gegen Dis­kri­mi­nie­rung. Eine Par­tei, die aktiv dar­an arbei­tet, que­e­re Men­schen sprach­lich unsicht­bar zu machen und sie sprach­lich aus­grenzt hat dort ein­fach nichts ver­lo­ren – nicht aus Into­le­ranz, son­dern als Kon­se­quenz auf das eige­ne Han­deln. Natür­lich darf die FDP so einen Antrag stel­len, sie darf aber nicht erwar­ten, dass sie dann noch mit­spie­len darf.

Die FDP kann ger­ne ihre Sprach­vor­stel­lun­gen pfle­gen (auch wenn sie es nicht soll­te). Aber sie kann nicht erwar­ten, dafür auf einem Pri­de gefei­ert zu wer­den oder mit­fei­ern zu dür­fen. Das wäre unge­fähr so, als wür­de ein Brand­stif­ter Ein­lass ins Feu­er­wehr­fest for­dern und „Into­le­ranz“ schrei­en, wenn man ihn vor der Tür ste­hen lässt. Außer­dem ist jeder ande­re Tag Heten-Pri­de, da müs­sen die nicht noch bei uns auflaufen. 

Übri­gens: 2022 hat Schäck nach dem Angriff auf eine trans Frau nach dem CSD Müns­ter noch fol­gen­des ver­lau­ten las­sen:

„Wir wol­len allen Men­schen ein selbst­be­stimm­tes Leben in Bre­men und Deutsch­land ermög­li­chen. Selbst­be­stim­mung heißt für uns, so leben zu kön­nen, wie man ist. Wir müs­sen Tole­ranz för­dern und der Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund geschlecht­li­cher oder sexu­el­ler Iden­ti­tät ein Ende setzen.“

Zwi­schen die­ser Mit­tei­lung und dem Antrag der zum Aus­schluss der FDP geführt hat lie­gen 685 Tage, ein biss­chen mehr als 22 Mona­te. So lan­ge hat es also gedau­ert, nach rechts zu rücken um zu ver­su­chen, AfD-Wäh­len­de zur FDP zu holen. Wie wie­der­lich kann ein Mensch eigent­lich sein? Schäck: Ja.


* Das Wahl­pro­gamm 2023 der Bre­mer FDP hat den Titel „Zei­gen wir, was geht

Titel­bild: Screen­shot des Antrags „Schluss mit Gen­der­spra­che im öffent­li­chen Dienst