25. Oktober 2021

Buch­mes­se, wo hypo­the­ti­sche Sah­ne­tor­ten schlim­mer als Nazis sind

Von tomate
Lese­dau­er 3 Minu­ten

Es war Frank­fur­ter Buch­mes­se und ich glau­be, fast jede Per­son hat mit­be­kom­men, dass Jas­mi­na Kuhn­ke ihre Teil­nah­me abge­sagt hat, weil mal wie­der rech­te Ver­la­ge auf der Buch­mes­se einen Stand hat­ten. Nicht nur Jas­mi­na – auf Twit­ter als @ebonyplusirony bekannt – hat abge­sagt, son­dern noch ein paar wei­ter Schwar­ze Autor*innen. Genau­er könnt ihr das z.B. hier beim Spie­gel nach­le­sen.

Ich war ja auch mal als Autor auf der Buch­mes­se und habe damals mein Buch .NEU­START vor­ge­stellt und schon damals 2015 gab es ein Nazi­pro­blem. (Eigent­lich auch schon vor­her und viel vor­her und immer wie­der, um genau zu sein.) 

Damals war ein Stand der rech­ten „Jun­ge Frei­heit“ auf der Buch­mes­se – also wasch­ech­te Nazis. Ich twit­ter­te vor mei­nem Besuch auf der Mes­se und mei­nen Ter­mi­nen am Stand „mei­nes“ Ver­la­ges Droe­mer-Knaur so etwas ähn­li­ches wie „Wäre doch lus­tig, wenn die Nazis plötz­lich Sah­ne­tor­te“ im Gesicht haben“. Eigent­lich hät­te ich ger­ne sowas wie „kann das nicht mal jemand anzün­den?“ oder Ähn­li­ches geschrie­ben, mir war aber klar, dass irgend­je­mand bestimmt sehr ner­vös wer­den wür­de und das rich­tig Streß bedeu­tet. Den Sah­ne­tor­ten-Tweet hielt ich für unver­fäng­lich genug, um kei­nen Streß zu bekom­men. So dach­te ich zumin­dest, but litt­le did I know.

Ich hat­te näm­lich ver­ges­sen, wie mimo­sen­haft das Nazi-Pack ist, wenn es um IHRE Sicher­heit geht. Die haben halt die Cops geru­fen. War­um ich das weiß? Weil die Cops kamen. An den Stand von Droe­mer-Knaur, an dem ich auch gera­de ange­kom­men war. Sie bau­ten sich vor mir auf, hiel­ten mir mei­nen Tweet aus­ge­druckt vor und gaben mir zu ver­ste­hen, dass man mich jetzt nach Sah­ne­tor­ten gefähr­li­chen Gegen­stän­den durch­su­chen wer­de. Ich war wirk­lich baff und auch leicht ver­un­si­chert. Das ist doch ein schlech­ter Scherz, dach­te ich mir. ICH wer­de regel­mä­ßig von denen bedroht, so als lin­ke Zecke und schwu­ler Mann. ICH müss­te beschützt wer­den, wenn die einen Stand auf der Buch­mes­se haben. Jaja, ich und mei­ne Bedürf­nis­se, ich weiß. Wie dumm von mir. 

Ich soll­te also mit­ten an dem Stand von Droe­mer-Knaur mei­ne Umhän­ge­ta­sche lee­ren. Hun­der­te Leu­te lie­fen vor­bei, der Stand war eh wegen einer Lesung fast schon über­voll (so vie­le Men­schen dicht an dicht – der Gedan­ke stresst mich zur Pan­de­mie) und natür­lich blie­ben eini­ge ste­ten um zu sehen, was pas­siert. Vor der Durch­su­chung woll­ten die Cops natür­lich mei­nen Aus­weis sehen, über­prüf­ten den und waren wohl sehr zufrie­den, dass sie den rich­ti­gen Typen mit blau­en Iro gefun­den hat­ten. Kurz bevor ich die Tasche leer­te, kam der kauf­män­ni­sche Lei­ter von Droe­mer-Knaur (Ent­schul­di­gung, ich hab den Namen ver­ges­sen) und frag­te, ob die Poli­zei nicht mit mir in eines der Bespre­chungs­zim­mer des Mes­se­stan­des gehen kön­ne, das müs­se ja nicht vor all den Leu­ten sein. Die Poli­zei WOLL­TE das aber in aller Öffent­lich­keit durchziehen.

Ich leer­te mei­ne Tasche: Lap­top. Tabak. Papier. Stif­te, Stem­pel, Stem­pel­kis­sen. Eine Plas­tik­fla­sche Was­ser. Aber kei­ne Sah­ne­tor­te. Nicht mal Res­te davon. Ich frag­te auch, war­um das denn jetzt sein müs­se. Die Ant­wort (wie­der sinn­ge­mäß, hey, das ist 2015 gewe­sen): Auf­grund des Tweets sei ich eine poten­ti­el­le Gefahr für die Jun­ge Freiheit. 

Das ist ja fast schon lus­tig, wenn es nicht so absurd wäre. Ich. Eine Gefahr. Auf der Buch­mes­se. Für einen Mes­se­stand. Wegen der lus­ti­gen Vor­stel­lung von Sah­ne­tor­te in Nazif­res­sen. Die Cops zogen ohne gefähr­li­che Gegen­stän­de (auch Sah­ne­tor­te wur­de nicht gefun­den) ab. Ich blieb hart gede­mü­tigt zurück. Nicht, weil sie mich durch­sucht hat­ten, son­dern weil ICH die Gefahr für die­je­ni­gen war, von denen Gefahr aus­geht. Das ist eine Umkeh­rung der real exis­tie­ren­den Verhältnisse.

Übri­gens: der Twit­ter­ac­count der Buch­mes­se Frank­furt fand, dass sowas halt pas­siert, wenn man sol­che Sachen twit­tert – hät­te ich das nicht getan, wäre das nicht pas­siert. Ich selbst habe mir an dem Tag geschwo­ren, kei­nen Fuß mehr auf die Buch­mes­se zu set­zen. Auch jetzt mit einem Ver­lag blei­be ich der Buch­mes­se fern, auch wenn ich damit viel­leicht Nach­tei­le erlei­de, weil mir Kon­tak­te feh­len bzw, ich Kon­tak­te nicht knüp­fen kann.

War­um ich die Geschich­te jetzt, Jah­re spä­ter noch­mal erzäh­le? Weil sie ein wei­te­re Puz­zle­teil dar­in ist, wie egal der Frank­fur­ter Buch­mes­se die Anwe­sen­heit von Nazi und die Gefahr, die von ihnen aus­geht, ist. Die Buch­mes­se erzählt immer etwas von Mei­nungs­viel­falt und kapiert ein­fach nicht, dass sie Teil der Ein­schrän­kung der Mei­nungs­viel­falt ist, denn dadurch, dass sie Nazis den Raum gibt blei­ben Stim­men fern, die jetzt natür­lich auf der Buch­mes­se feh­len. Und damit mei­ne ich nicht ein­mal mei­ne, son­dern die von Jas­mi­na und die vie­ler ande­rer Men­schen, die auf der Buch­mes­se nicht sicher sind.