Buchmesse, wo hypothetische Sahnetorten schlimmer als Nazis sind
Es war Frankfurter Buchmesse und ich glaube, fast jede Person hat mitbekommen, dass Jasmina Kuhnke ihre Teilnahme abgesagt hat, weil mal wieder rechte Verlage auf der Buchmesse einen Stand hatten. Nicht nur Jasmina – auf Twitter als @ebonyplusirony bekannt – hat abgesagt, sondern noch ein paar weiter Schwarze Autor*innen. Genauer könnt ihr das z.B. hier beim Spiegel nachlesen.
Ich war ja auch mal als Autor auf der Buchmesse und habe damals mein Buch .NEUSTART vorgestellt und schon damals 2015 gab es ein Naziproblem. (Eigentlich auch schon vorher und viel vorher und immer wieder, um genau zu sein.)
Damals war ein Stand der rechten „Junge Freiheit“ auf der Buchmesse – also waschechte Nazis. Ich twitterte vor meinem Besuch auf der Messe und meinen Terminen am Stand „meines“ Verlages Droemer-Knaur so etwas ähnliches wie „Wäre doch lustig, wenn die Nazis plötzlich Sahnetorte“ im Gesicht haben“. Eigentlich hätte ich gerne sowas wie „kann das nicht mal jemand anzünden?“ oder Ähnliches geschrieben, mir war aber klar, dass irgendjemand bestimmt sehr nervös werden würde und das richtig Streß bedeutet. Den Sahnetorten-Tweet hielt ich für unverfänglich genug, um keinen Streß zu bekommen. So dachte ich zumindest, but little did I know.
Ich hatte nämlich vergessen, wie mimosenhaft das Nazi-Pack ist, wenn es um IHRE Sicherheit geht. Die haben halt die Cops gerufen. Warum ich das weiß? Weil die Cops kamen. An den Stand von Droemer-Knaur, an dem ich auch gerade angekommen war. Sie bauten sich vor mir auf, hielten mir meinen Tweet ausgedruckt vor und gaben mir zu verstehen, dass man mich jetzt nach Sahnetorten gefährlichen Gegenständen durchsuchen werde. Ich war wirklich baff und auch leicht verunsichert. Das ist doch ein schlechter Scherz, dachte ich mir. ICH werde regelmäßig von denen bedroht, so als linke Zecke und schwuler Mann. ICH müsste beschützt werden, wenn die einen Stand auf der Buchmesse haben. Jaja, ich und meine Bedürfnisse, ich weiß. Wie dumm von mir.
Ich sollte also mitten an dem Stand von Droemer-Knaur meine Umhängetasche leeren. Hunderte Leute liefen vorbei, der Stand war eh wegen einer Lesung fast schon übervoll (so viele Menschen dicht an dicht – der Gedanke stresst mich zur Pandemie) und natürlich blieben einige steten um zu sehen, was passiert. Vor der Durchsuchung wollten die Cops natürlich meinen Ausweis sehen, überprüften den und waren wohl sehr zufrieden, dass sie den richtigen Typen mit blauen Iro gefunden hatten. Kurz bevor ich die Tasche leerte, kam der kaufmännische Leiter von Droemer-Knaur (Entschuldigung, ich hab den Namen vergessen) und fragte, ob die Polizei nicht mit mir in eines der Besprechungszimmer des Messestandes gehen könne, das müsse ja nicht vor all den Leuten sein. Die Polizei WOLLTE das aber in aller Öffentlichkeit durchziehen.
Ich leerte meine Tasche: Laptop. Tabak. Papier. Stifte, Stempel, Stempelkissen. Eine Plastikflasche Wasser. Aber keine Sahnetorte. Nicht mal Reste davon. Ich fragte auch, warum das denn jetzt sein müsse. Die Antwort (wieder sinngemäß, hey, das ist 2015 gewesen): Aufgrund des Tweets sei ich eine potentielle Gefahr für die Junge Freiheit.
Das ist ja fast schon lustig, wenn es nicht so absurd wäre. Ich. Eine Gefahr. Auf der Buchmesse. Für einen Messestand. Wegen der lustigen Vorstellung von Sahnetorte in Nazifressen. Die Cops zogen ohne gefährliche Gegenstände (auch Sahnetorte wurde nicht gefunden) ab. Ich blieb hart gedemütigt zurück. Nicht, weil sie mich durchsucht hatten, sondern weil ICH die Gefahr für diejenigen war, von denen Gefahr ausgeht. Das ist eine Umkehrung der real existierenden Verhältnisse.
Übrigens: der Twitteraccount der Buchmesse Frankfurt fand, dass sowas halt passiert, wenn man solche Sachen twittert – hätte ich das nicht getan, wäre das nicht passiert. Ich selbst habe mir an dem Tag geschworen, keinen Fuß mehr auf die Buchmesse zu setzen. Auch jetzt mit einem Verlag bleibe ich der Buchmesse fern, auch wenn ich damit vielleicht Nachteile erleide, weil mir Kontakte fehlen bzw, ich Kontakte nicht knüpfen kann.
Warum ich die Geschichte jetzt, Jahre später nochmal erzähle? Weil sie ein weitere Puzzleteil darin ist, wie egal der Frankfurter Buchmesse die Anwesenheit von Nazi und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist. Die Buchmesse erzählt immer etwas von Meinungsvielfalt und kapiert einfach nicht, dass sie Teil der Einschränkung der Meinungsvielfalt ist, denn dadurch, dass sie Nazis den Raum gibt bleiben Stimmen fern, die jetzt natürlich auf der Buchmesse fehlen. Und damit meine ich nicht einmal meine, sondern die von Jasmina und die vieler anderer Menschen, die auf der Buchmesse nicht sicher sind.
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