Ein roter Blutspritzer auf weißem Hintergrund.
5. Februar 2016

Und dann ist da was in dei­nem Blut…

Von tomate
Lese­dau­er 2 Minu­ten

Ber­lin. Char­lot­ten­burg. Ich sit­ze mit einer Freun­din in einem Café bei einem spä­ten Früh­stück. „Oh, ich muss noch beim Arzt anru­fen, wegen der Blut­wer­te“. Ich neh­me mein Tele­fon und wäh­le die Num­mer mei­nes Haus­arz­tes. Ich war die letz­ten Wochen dau­ernd krank und mein Arzt hat mal vor­sorg­lich einen Test „auf alles“ gemacht.
„Herr Urbach, ja, die Ergeb­nis­se sind da – alles gut. Ah, HIV fehlt noch. Naja, da rufen se inner Stun­de noch­mal an“.
Wir früh­stü­cken wei­ter. Trin­ken Kaf­fee, lachen viel und haben uns viel zu erzäh­len. „Ich ruf gera­de noch­mal an“.
„Herr Urbach, das ist komisch, das ist immer noch nicht da. Rufen se nach der Mit­tags­pau­se noch­mal durch?“ – „Klar“.

Wei­ter erzäh­len, lachen, über gemein­sa­me Bekann­te spre­chen, aus­tau­schen.
„Herr Urbach, ich stell sie zum Herrn Dok­tor durch“. Mir rutscht das Herz in die Hose. „Herr Urbach, das Ergeb­nis ist da. Naja, was soll ich jetzt drum­her­um reden und sie her­be­stel­len, sie kön­nen es sich ja schon den­ken“. In mei­nen Ohren fängt ein Rau­schen an, die Stim­me des Arz­tes am Tele­fon, mein Blut in den Adern, alles fällt zusammen.

[Schnitt]

Ich sit­ze in der Uni­kli­nik Frank­furt. Das drei­mo­nat­li­che Blut­ab­neh­men steht an. Ich ken­ne den Weg. Vom Emp­fang geht es hin­ter zu Blut­ab­nah­me. Mecha­ni­sches Scher­zen mit dem Pfle­ge­per­so­nal. Nor­ma­li­tät her­stel­len.
Eine Woche spä­ter Bespre­chen der Ergeb­nis­se. Blah, alles gut, Ent­zün­dungs­wer­te, Hel­fer­zel­len, blah. Es ist mir egal. In den Ohren rauscht es.
Ich fah­re zur Arbeit.

[Schnitt]

Belie­bi­ger Tag. 23:50. Ich ver­su­che seit einer Stun­de zu schla­fen. Sobald ich die Augen schlie­ße, sit­ze ich in dem Café, höre die Stim­me mei­nes Arz­tes. Wei­ne. Wei­ne mich in den Schlaf. Schla­fen. Unru­hig.
Auf­wa­chen.

Der ers­te Griff ist zu der Fla­sche Was­ser neben mei­nem Bett und der Dose Tablet­ten. Jeden Tag eine neh­men. Nicht ver­ges­sen. Sie hält mich am Leben. Macht, dass die­ses Virus nicht so schnell gewin­nen kann.
Manch­mal habe ich Angst, dass ich von nun an etwas ver­pas­se. Ich bin oft krän­kelnd, möch­te oft nicht auf­ste­hen. Dabei geht es mir doch recht gut. Ich möch­te das Virus nicht gewin­nen las­sen. Ich habe es Hubert getauft, damit ich es beschimp­fen kann, wenn ich wie­der nicht schla­fen kann. Hubert ist der Feind in mei­nem Körper.

Hubert. Hubert, du machst mich nicht kaputt. Weisst du Hubert? Du willst mir mein Leben neh­men aber das kannst du nicht. Ich habe bereits genug für zwei Leben erlebt und ich neh­me jetzt ein­fach mit was ich kann. Du kannst mich nicht dran hin­dern. Du bekommst mich nicht klein. Du kannst mir noch so oft ver­su­chen den Boden unter den Füßen weg zu zie­hen. Du kannst mir noch so oft eine in die Fres­se geben. Du bekommst mich nicht klein.

Ab jetzt ist alles Bonus.


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