Eine verzierte Tür in einem blau gefliesten Raum.
11. Januar 2024

Im Namen des Volkes

Von tomate
Lese­dau­er 2 Minu­ten

Vor­her: Schöf­fe am Land­ge­richt Ber­lin I – Land­ge­richt für Straf­sa­chen, Schöf­fe, Arbeits­zeit und Entschädigung

Heu­te war der letz­te Tag der Ver­hand­lung. Ges­tern haben sowohl der Staats­an­walt als auch der Ver­tei­di­ger plä­diert und heu­te zogen wir uns zur Bera­tung zurück, um über die Schuld und bei fest­ge­stell­ter Schuld das Straf­maß zu entscheiden.

In dem Ver­fah­ren, an dem ich betei­ligt war, kam die Kam­mer zu dem Urteil, dass der Ange­klag­te schul­dig ist. Er wur­de zu einem Jahr und neun Mona­ten Haft ver­ur­teilt. Eine wei­te­rer, zur Bewäh­rung aus­ge­setz­ten Haft­stra­fe muss der nun Ver­ur­teil­te wohl auch noch absitzen. 

Jetzt war ich also an einem Urteil betei­ligt, das sei­nen Men­schen für ein Jahr und neun Mona­te weg­sperrt. Dazu gehen mir vie­le Gedan­ken durch den Kopf – so wirk­lich kohä­rent sind die­se aller­dings nicht. Ich habe mir nicht aus­ge­sucht, am Straf­ge­richt zu lan­den. Es hät­te ja auch das Ver­wal­tungs­ge­richt sein kön­nen, das wäre mir in der Tat lie­ber gewesen. 

Ich fin­de die Idee, dass ein­fa­che Bürger*innen ohne Jurist*innenblick auf die Sach­ver­hal­te bei Gericht mit­wir­ken, sehr gut. Ich glau­be sehr dar­an, dass der Blick „aus dem Leben“ auf die Beweis­la­ge und Zeug*innenaussagen durch­aus auch Berufsrichter*innen noch­mal eine ande­rer Per­spek­ti­ve geben kann (wie übri­gens in die­sem Ver­fah­ren gesche­hen). Ich habe mir aller­dings im Gegen­satz zu Berufsrichter*innen nicht aus­ge­sucht, Men­schen weg­sper­ren zu kön­nen. Ich bin auch kein biss­chen dar­auf vor­be­rei­tet, weder intel­lek­tu­ell noch emo­tio­nal und ich bin allei­ne mit der Pro­blem­la­ge. Immer­hin gibt es das Bera­tungs­an­ge­bot der Sozi­al­be­ra­tung der Ber­li­ner Justiz:

Mög­li­cher­wei­se wird man bei der Aus­übung die­ses wich­ti­gen Amtes auch mit psy­chisch sehr belas­ten­den Situa­tio­nen kon­fron­tiert, die in einem „nach­wir­ken“. Da ist es gut, wenn man auf pro­fes­sio­nel­le Bera­tung zurück­grei­fen kann, die zeigt, wie man sich selbst in schwie­ri­gen Situa­tio­nen ent­las­ten kann, um gesund zu bleiben.

Wir bie­ten Schöf­fen­dienst leis­ten­den Per­so­nen, die für die Ber­li­ner Jus­tiz tätig sind, ver­trau­li­che Bera­tung im Rah­men Ihrer Amts­aus­übung an, um eige­ne schüt­zen­de Res­sour­cen zu mobi­li­sie­ren und damit mög­li­chen trau­ma­ti­schen Fol­gen vorzubeugen.

Bera­tungs­an­ge­bots der Sozi­al­be­ra­tung der Ber­li­ner Justiz

Ich füh­le mich aller­dings nicht dazu ein­ge­la­den, mich dort mit mei­ner Pro­blem­la­ge zu mel­den. Es ist kei­ne aku­te Belas­tung und es wird sicher auch kein Trau­ma davon zurück blei­ben (so hof­fe ich zumin­dest). Der Raum, um dar­über zu dis­ku­tie­ren, reflek­tie­ren und den Kno­ten in mei­nem Gehirn zu lösen, den habe ich nicht und des­we­gen müsst ihr jetzt das hier lesen. 

Den ver­spro­che­nen Teil über das Fra­ge­recht und die Urteils­fin­dung wer­de ich so schnell nicht lie­fern, auch wenn ich ihn ver­spro­chen hatte.


Bild­nach­weis
Titel­pho­to © 2024 Jascha Ezra Urbach