Schöffe am Landgericht Berlin I – Landgericht für Strafsachen
Für die Jahre 2024 bis 2028 bin ich Ersatzschöffe am Landgericht Berlin I. Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die an Landesgerichten zusammen mit Berufsrichtern die Kammer bei Strafprozessen bilden. Ersatzschöffen werden gewählt, um z.B. wegen Krankheit ausfallende Schöffen vor Beginn des Verfahrens ersetzen zu können. Ich rechnete damit, dass ich irgendwann dieses Jahr vom Landgericht angerufen werde und an einem Verfahren mitwirken werden. Ich ahnte natürlich nicht, dass dies gleich am 03.01.2024 passieren würde.
Ich war gerade mal eine Stunde im Büro, als mein Telefon klingelte. Am anderen Ende des Gesprächs: das Landgericht Berlin. Ich müsse nun kommen, es sei ein Schöffe ausgefallen und das Verfahren könne sonst nicht beginnen. Wie lange ich denn zum Gericht bräuchte. „Naja so 30 – 40 Minuten, je nachdem wie die BVG so fährt. Mit dem Taxi ginge das definitiv schneller“. Man würde mich gleich zurück rufen und mir mitteilen, ob ich ein Taxi nehmen dürfe. In den paar Minuten, die ich nun hatte sagte ich meinem Chef und meiner Kollegin bescheid und packte meine Sachen. Mittlerweile war auch die Ladung per E‑Mail eingetroffen, die muss ich nämlich am Eingang des Gerichts vorzeigen. Wie Berufsrichter werden Schöffen, die geladen sind, am Eingang des Gerichts nicht durchsucht – dafür müssen sie aber Ausweis und die Ladung vorzeigen.
Nach ein paar Minuten klingelte wieder mein Telefon. „Es wurde angeordnet, dass sie mit dem Taxi kommen sollen“. Nun gut, raus aus dem Büro, ab ins Taxi. Am Landgericht darf ich den Eingang für Richter*innen verwenden, werde also nicht durchsucht. ich muss dafür die Ladung und meinen Personalausweis vorzeigen. Ich lasse mir noch den Weg zum Saal beschreiben, verlaufe mich dann doch noch ein wenig und betrete sehr gehetzt den Saal. Ab nach hinten ins Richterzimmer. Dort werde ich schnell in den Fall eingeführt, wir besprechen die Sitzordnung (ich ganz links, ich muss auch die Tür zum Richterzimmer zumachen) und die Sitzung startet mit ein bisschen mehr als einer Stunde Verspätung. Nach dem Aufruf des Verfahrens und der Eröffnung durch den vorsitzenden Richter werden meine Mitschöffin und ich noch vereidigt und dann beginnt der Staatsanwalt mit der Verlesung der Klageschrift.
Ich weiß nicht wie seriös das Bild für den Angeklagten war, als neben drei Menschen in Roben und einer gut gekleideten Schöffin eine leicht verpeilte Person in Hoodie und Jogginghose auf der Richterbank platz nahm. Das einzige Gericht, in dem Schöffen Roben tragen müssen, ist das Verwaltungsgericht Berlin.
Wie das mit dem Fragerecht und der Beteiligung bei der Urteilsfindung abläuft erzähle ich dann, wenn ich ich bei meinem ersten Urteil dabei war.
Weiterlesen: Schöffe, Arbeitszeit und Entschädigung, Im Namen des Volkes
Titelbild: Membeth, CC0, via Wikimedia Commons
Die Vorstellung, dass du da im Hoodie und Joggingshose sitzt, finde ich sehr gut. Einfach mal ein bisschen anders, als erwartet^^
Na ich war halt auf Arbeit vorher 🤷♂️
Ich bin leider nicht als Schöffe ausgewählt worden, beworben hatte ich mich auch. Wäre jetzt nicht gerade in Jogginghose hingegangen, aber auch weit weg vom Anzug^^. Sollte man auch normalisieren.
Es gibt in Berlin (außer am Verwaltungsgericht) keine Kleidervorschrift – es darf halt nicht völlig zerlumpt sein. Und wenn sie mich von Arbeit rufen müssen sie nehmen was ich halt anhabe.
@jascha In Köln gibt es keinen Eingang für Richter. Alle gehen durch dieselbe Schleuse und Schöffen werden wie Besucher behandelt. Jedes einzelne Mal durch die Sicherheitskontrolle wie am Flughafen.
@Truevader wie unangenehm.
Dafür keine Sicherheitslücke.
@jascha oh, wie gut dass Du das machst <3
@danielaKay danke!
@danielaKay @jascha +1
@jascha.wtf Wie wurde denn das Geld für die Taxifahrt bezahlt? Hast du das vorgelegt und kannst es dir vom Landgericht wiederholen?
Ich habe es vorgelegt, genau. Nach jeder Sitzung gibt es ein Formular für die Entschädigung, auf diesem ist vermerkt, dass ich mit dem Taxi kommen durfte und ich bekomme das dann demnächst überwiesen.
@jascha whoa, spannend, ich freu mich auf weitere Berichte und irgendwann ein Resümee über das ganze Schöffensystem!
@eliza das Resümee kann ich erst in 4 Jahren ziehen – dann ist meine Amtszeit zu Ende
Klingt spannend, bitte weiter berichten:) Kann sich da jeder Steuerzahler bewerben oder ist das nur für deutsche Staatsbürger?
Du musst Deutscher im Sinne des Grundgesetzes sein, ein Mindestalter vorweisen und keine Aberkennung der Wählbarkeit haben. Es hat übrigens nichts mit Steuerzahler zu tun.
Danke! Ja mir fiel kein besserer Sammelbegriff ein für Menschen aus Drittstaaten mit bluecard bzw Asyl bzw EU Bürger / EWG Bürger mit Wohnsitz in Deutschland … deren kleinster gemeinsamer Nenner ist halt die selbe Post vom Finanzamt, alle anderen Rechte unterscheiden sich je nach Thema im Detail
@jascha Bekommst Du da eine Aufwandsentschädigung eigentlich?
@leitmedium Ja. Da schreib ich auch im zweiten Teil drüber 🙂
@jascha
Danke! Das ist sehr hilfreich 🤗
Worüber darfst du denn *nicht* sprechen? Also, nicht konkret natürlich, aber was fällt generell darunter?
@chrysomeles Das kommt in Teil 2 🙂
@jascha Das lese ich mir am Wochenende mal in Ruhe durch, ich bin in ein paar Tagen zum ersten Mal dran! Viele Grüße!
Ich habe das jetzt 5 Jahre immer im Hoodie gemacht… Dachte zuerst auch, dass alle das seltsam finden aber solange da nicht zu viel Politik drauf ist stört das niemanden. Viel Spaß als Schöffe!
Ja Danke sehr. Mal sehen ob das eher anstrengend oder eher spaßig wird.
Ja, geile Action haste hinter dir! Meine erste ist ausgefallen. Bin Jugendschöffe.🤓
@jascha @Bobo_PK ach cool, danke für den Bericht. Vielleicht mache ich das auch. Bin für die Saison/Periode(?) Schöffe am Landgericht. Der erste Sitzungstag fiel aus. Bin sehr gespannt. Hab das noch nie gemacht und die Infos, die man vorab bekommt sind überschaubar – aber die Schöffenpflegerin (so heißt das nicht offiziell) ist total nett und beantwortet die Fragen. Aso: Wesen, so Ihr denn nicht rechts seid, bewerbt Euch als Schöffen, wenn es wieder soweit ist.
Ich bin jetzt auch für fünf Jahre Schöffe (habe Ende des Monats meinen ersten Termin und bin schon irre gespannt) und wurde im Vorfeld von vielen gefragt, ob ich schon eine Einweisung oder ähnliches bekommen hätte, was ich immer leicht irritiert verneint habe, weil es außer dem Infobrief und den dort vermerkten PDFs ja wirklich keine Info gab. Und bei der Idee, Leute »aus dem Volk« an der Urteilsfindung »im Namen des Volkes« teilhaben zu lassen, ja auch gerade die Unkenntnis juristischer Spitzfindigkeiten durchaus wichtig ist.
War das bei dir anders? Gab es vor dem ersten Termin irgendeine Unterweisung? Bekommt man vorher irgendwelche Papiere zum Fall, oder läuft das ausschließlich über die mündliche Verhandlung vor Ort? Darf man sich Notizen machen? Darf man während der Verhandlung auf seinem Handy im Internet was nachgucken? Oder auf einem Laptop? Darf man einen Schluck Wasser trinken? …
Am Anfang wirst du kurz in den Fall eingeführt und dann geht es in die Verhandlung. Du hast als Schöffe das Recht, in alle Akten Einsicht zu nehmen. Notizen darfst Du Dir machen, etwas auf Handy oder Laptop nachschauen kannst Du eher vergessen. Aber, das ist wichtig: Du musst das auch gar nicht. Die Gesetzeslage wird Dir dargelegt. Wenn Du Fragen an Angeklagte oder Zeug*innen hast, hast Du genauso Fragerecht wie hauptamtliche Richter.
Getrunken wird im Richterzimmer, nicht im Gerichtssaal!